"Fast bist zum Baikalsee"-Tour
Wie wir doch nicht zum Baikal gefahren sind oder einfach:
откуда ?
Zuersteinmal: Wie es dazu kam:
Mai 2007: Der MCKB veranstaltet sein jährliches Treffen in Bad Oeynhausen. Das ist ein nettes, kleines aber feines Motorradtreffen mit –je nach Wetterlage und Termin- 50 - 80 Besuchern. Udo und Dirk sind in diesem Jahr auch da, beide das erste Mal. Irgendwann stehen wir in einer kleinen Gruppe mit Franz-Jopp, Luches und einigen anderen zusammen und jeder erzählt von seinen Touren. Ich war im letzten Jahr in Russland und würde gerne mit dem Moped zum Baikal fahren. Udo hat sich eine neue KTM gekauft und will auch gen Osten, und Dirk macht jeden Unsinn mit. So stehen wir da und nach dem x-sten Bier beschließen wir: nächstes Jahr fahren wir an den Baikal.
Ich habe ehrlich nicht damit gerechnet, dass jemand die Idee ernst nimmt und rufe Udo am nächsten Morgen, juste als er abfahren will halb im Spaß und halb im Ernst zu: „ Ich ruf dich noch mal an wegen der Baikaltour!“ Und Udo erwidert nur trocken: „ Wieso, das haben wir doch abgemacht!“
Dass es dann doch nicht der Baikal geworden ist, liegt nur daran, dass wir fantastische Fotos aus Tadschikistan und Kirgisistan in einem Internet-Forum gefunden haben.
Und dies sollte nicht das letzte Mal sein, dass ein Plan verworfen wird
Da sitze ich nun, auf einem Schiff auf dem Kaspischen Meer, und warte, dass der Dampfer in den Hafen von Turkmenbashi einläuft. Heute Morgen sind wir hier nach einer ruhigen Nacht angekommen und müssen nun abwarten, bis die 2 Schiffe vor uns abgefertigt werden. Vielleicht sind wir dann morgen früh dran, vielleicht morgen Abend. Insallah
Aber mal der Reihe nach:
Freitag, 9.5.2008
Ein halbes Jahr Vorbereitung liegt hinter uns, und heute ist es endlich soweit. (Meine Familie und Kollegen sind vermutlich dankbar dafür, denn für mich gab es in den letzten Monaten kaum ein anderes Thema). Wir, das sind Udo, Dirk und ich, treffen uns bei Udo in Passau, um in der Nacht nach Villach aufzubrechen. Schon um 11 Uhr fahren wir, weil wir natürlich auf keinen Fall den Zug nach Edirne verpassen wollen.
Samstag, 10.5.
Frühmorgens um 6.00 kommen wir an, und sind für die anderen Fahrgäste, meist Leute die den Sommer in der Türkei verbringen, eine willkommene Abwechslung beim Warten auf den Zug. Wir werden von einigen angesprochen, und im Laufe der Reise werden wir noch viele Unterhaltungen haben. In dem 6er Abteil, das wir mit 3 älteren türkischen Herren teilen, herrscht ein ziemliches Gedränge, jeder hat Gepäck und natürlich zu Essen und zu Trinken für die 2 Tage dabei. Aber alle freuen sich auf die Ferien, die Stimmung ist locker.
Der Zug fährt durch Slowenien, Kroatien, Serbien und Bulgarien in die Türkei. Wir unterhalten uns unterwegs mit den Leuten, besonders mit einem Mitreisenden, der uns die ganze Zeit mit guten Ratschlägen versorgt. In Bulgarien wird der Zug abwechselnd von bettelnden Kindern oder Leuten, die etwas verkaufen wollen, belagert. Nicht mal unangenehm, das verkürzt die Wartezeit.
Sonntag, 11.5.
In Edirne verläuft das Ausladen der Mopeds und die Zollabfertigung so, wie man sich einen orientalischen Basar vorstellt: Menschenmengen an jedem Schalter, eine unglaubliche Geräuschkulisse und jeder hat einen guten Grund, warum er als nächster abgefertigt wird. Wir sprechen kein Türkisch, können uns also nicht wirklich an dem Getümmel beteiligen und werden trotzdem genauso schnell abgefertigt wie alle anderen. Trotzdem bin ich froh, als wir vom Zollhof rollen und auf die Autobahn Richtung Istanbul fahren.
Es ist schon spät, als wir über die Bosporus-Brücke rollen. Leider können wir keine Bilder machen, auf der Brücke kann man nicht anhalten und beim Zurücklaufen werde ich von einem freundlichen, aber bestimmten Polizeibeamten aufgehalten. Immerhin können wir bei der Pause einem anderen Motorradfahrer mit einem halben Liter Benzin aushelfen.(... natürlich auch, damit er uns zur nächsten Tankstelle führt )
Es ist mittlerweile nach 12 Uhr, wir machen uns gar nicht erst auf die Suche nach einem Hotel, sondern zelten auf einem Rastplatz an der Autobahn. Der Kioskbetreiber, bei dem wir am nächsten Morgen unseren Tee kaufen, läst es sich nicht nehmen, uns den Tee bis ans Zelt zu bringen. Was für ein Service!
Montag, 12.5.
Wir fahren weiter und in Bolu versuche ich, ein paar Sommerhandschuhe zu kaufen, da meine den gestrigen Abend leider nicht überlebt haben. ( ... beim Bezahlen der Autobahngebühr vom Moped gefallen) Wir werden bei unserem Stopp natürlich wieder von einigen Leuten angesprochen, und ein Türke, der sehr gut Deutsch spricht, fährt mich in seinem Auto zu einem Motorradhändler, bei dem ich auch ein paar Handschuhe finde.
Wir fahren hinter Bolu von der Autobahn auf die Landstrasse Richtung Samsung ab. Die Landschaft ist viel grüner als ich mir das vorgestellt habe. Die Berge sehen aus wie Großmutters Sofa: Eigentlich ganz gerade, aber mit regelmäßigen Steppnähten. Schafe sieht man rechts und links und natürlich hin und wieder auch auf der Strasse. Mittags halten wir in den Bergen an einem Restaurant, essen Gegrilltes für wenig Geld und schauen den LKW`s zu, wie sie sich den Berg hoch quälen. Die Strasse ist gut, das Wetter angenehm, die Landschaft toll; kurzum: viele Gründe, sich wohl zu fühlen.
Abends finden wir ein Hotel in Caibasi. Ziemlich basic, wir entscheiden uns, in den eigenen Schlafsäcken zu schlafen. Wir können uns gar nicht mit der türkischen Sitte anfreunden, nach der auf der Toilette statt Papier nur ein Gefäß mit Wasser steht, mit dem man sich nachher die Hand wieder waschen kann. So wird der Koffer mit den 2 Rollen Toilettenpapier zum wichtigsten Gepäckstück. Aber immerhin ist das Hotel mit 25€ für drei Leute echt billig.
Dienstag, 13.5.
Wir fahren weiter in Richtung Samsun. Die Landschaft wird flacher, und in Samsun angekommen folgen wir der Küstenstraße weiter Richtung Rizi. Irgendwann zwischendurch beschließen wir, in einen Ort hinein zu fahren, um einen Kaffee oder Tee zu trinken. Wir kommen aber gar nicht dazu, zuerst den Bankautomaten und dann das Cafe zu finden, sondern werden sofort auf einem Platz von einer Menschenmenge aufgehalten und zum Tee eingeladen. Einige Leute sprechen etwas Deutsch oder Englisch, trotzdem bleibt das Gespräch holprig und kommt über das übliche woher und wohin nicht hinaus. Obwohl die Landschaft hier sehr schön und das Schwarze Meer direkt vor der Tür ist gibt es keinen Tourismus, und so werden wir bestaunt wie die Affen im Zoo. Weiter in Richtung in Rizi halten wir hinter einem Tunnel. Eine der beiden Röhren in von einem gewaltigen Bergrutsch verschüttet und wir fragen uns: War da zufällig keiner unterwegs oder stehen da noch ein paar Autos drunter? In Rizzi finden wir ein wirklich gutes Hotel und verbringen dort die Nacht.
Mittwoch, 14.5.
Nur noch 60 km bis zur Grenze nach Georgien. Die Zoll- und Polizeileute sind nett und sind im Wesentlichen an der Karte mit unserer Route interessiert, die ich vorne auf den Beiwagen geklebt habe. Wir passieren die Grenze innerhalb von 2 Stunden. Die 2 Stunden deshalb, weil jeder versucht, überall der erste zu sein, sich vordrängelt, lamentiert und eigentlich damit der ganze Ablauf nur ins Stocken gerät. Die Leute hier stehen sich ganz oft einfach nur selbst im Weg. Wir folgen der Strasse nach Batumi und dann weiter in Richtung Poti, immer an der Küste längs.
Die Landschaft ist gebirgig und die Strasse hat schöne Kurven aber immer wieder müssen wir LKW`s überholen. Man kann hinter den alten russischen Lastern nicht lange bleiben, zum Teil fahren sie nur etwas mehr als Schrittgeschwindigkeit und immer qualmen die Dinger unglaublich. Aber mit den Mopeds macht das Überholen auch auf kurvigen Strassen nur wenig Mühe, man muss nur aufpassen, dass im Gegenverkehr nicht jemand im selben Moment die Idee hatte, zu überholen. Abends fahren wir von der Hauptstraße um einen Platz für unsere Zelte zu suchen. Wir fahren vielleicht 2 km auf einer Schotterpiste, können aber nichts Geeignetes finden. Als Udo 2 Leute vor einem Haus sieht, fragt er ( ...mit Händen und Füßen) ob wir da zelten können. Ich bin mir sicher, dass zu Anfang niemand etwas von dem verstanden hat, was sein Gegenüber gesagt hat, aber wir steigen ab, und werden von dem Hausbesitzer eingeladen, bei ihm zu übernachten. Wir lehnen ab, weil wir uns in den eigenen Schlafsäcken am wohlsten fühlen, dürfen aber die Zelte im Vorgarten aufbauen.
Das Haus ist in einem furchtbaren Zustand. Das halbe Dach fehlt, und scheinbar isst, wohnt und schläft die ganze Familie in der guten Stube, in die wir eingeladen werden. Ich denke, wir haben uns die ärmsten Leute im ganzen Dorf ausgesucht, aber es ist unglaublich, wie gastfreundlich die Familie ist. Und, das erstaunt mich noch viel mehr, die Stimmung ist so gut, fast fröhlich. Die Kinder holen ihre Englisch-Hefte raus und erzählen uns, was sie schon können (erstes Jahr Englischunterricht!). Wir trinken unser mitgebrachtes Bier und ihren Schnaps. Die Kinder werden am nächsten Morgen in der Schule bestimmt erzählen, dass in ihrem Garten ein Ufo gelandet ist; wir sind uns jedenfalls ein bisschen so vorgekommen. Im Laufe des Tages haben wir sicherlich mehr Geld für Benzin ausgegeben, wie diese 5-köpfige Familie im Monat zum Leben hat. Wir haben nicht herausbekommen, was der Mann arbeitet, aber nach der Auflösung der Sowjetunion sind viele Firmen geschlossen worden und eine Menge Menschen leben vom Staat und damit von der Hand in den Mund.
Donnerstag, 15.5.
Am nächsten Morgen wird uns ein Frühstück mit Rühreiern, selbstgebackenem frischem Brot und Kaffee spendiert; ich bekomme mehr und mehr ein schlechtes Gewissen. Wir bedanken uns mit 4 T-Shirts und einem Taschenmesser als Gastgeschenk. Hoffentlich haben die Kinder eine Chance auf ein besseres Leben.
Wir folgen weiter der Hauptstrasse Richtung Tiflis, wo wir mittags eintreffen. Todesmutig fahren wir in die Innenstadt, um einen Kaffee zu trinken. Großer Fehler. Der Verkehr übertrifft selbst Moskau. Straßen sind dynamisch mal 2-, mal 6-spurig, Wegweiser gibt es gar keine und bei knapp 30°C Temperatur macht das Mopedfahren hier keinen Spaß. Wir versuchen, wieder auf die Hauptstraße zu kommen, was sich aber als größeres Unternehmen herausstellt. Jeder, den wir fragen, schickt uns in eine andere Richtung. Wir schaffen es dann doch (... nachdem uns bei einer Pause ein LKW passiert hat, dessen Fahrer so betrunken war, dass er den Kopf nicht mehr oben halten konnte und deswegen halb zum Seitenfenster heraushing. Aber fahren ging ). Am späten Nachmittag erreichen wir die Grenze nach Aserbaidschan, die folgendermaßen ausschaut:
Man nehme einen alten Hühnerstall, platziere auf der rechten und der linken Seite jeweils einige Baracken, und fertig ist die Grenzstation. Die Leute dort sind aber sehr nett, verlängern unser Transitvisum um 2 Tage und fragen auch nicht nach Bakschisch. Weiter in Aserbaidschan fahren wir über eine weite Ebene, rechts flankiert von einer Hügelkette; nicht besonders aufregend. Aber die Strassen sind gut, wir kommen gut voran. Wir übernachten ein Stück abseits der Straße, essen etwas und trinken den Rest von Dirk`s mitgebrachtem Wein.
Freitag, 16.5.
Morgens wird Dirk als erster wach, und als er einem vorbeifahrendem Auto zuwinkt, hupt dieser zum Gruß zurück. Damit ist auch für Udo und mich die Nacht vorbei.
Dann also auf nach Baku. Dirk und ich haben gestern in Aserbaidschan getankt und schon beim Tanken bemerkt, dass der Sprit merkwürdig riecht. Das Abgas stinkt regelrecht (... keiner mag hinter dem anderen herfahren). Die Kisten starten morgens erst nach 4-5 Sekunden und nicht nach dem ersten Klack, wie wir es gewohnt sind. Gott sei Dank liegen meine Kat´s zuhause. Bei jedem Stopp gilt uns, wie sonst auch, das Interesse der gesamten Dorfbevölkerung. Als wir dann an einer Tankstelle noch Dirk`s Auspuff neu befestigen müssen, fühlen wir uns endgültig wie die Affen im Zoo. Da wir kein Aserbaidschanisches Geld mehr haben, tausche ich eine Schachtel Zigaretten gegen drei Tee.
Als wir uns Baku nähern, wird die Bebauung dichter und der Verkehr nimmt drastisch zu. Rush-Hour in Zentralasien, das heißt: alle stehen im Stau, jeder hupt und alle freuen sich. Als ich den Helm abnehme, um ein Foto zu machen (selbstverständlich beim Fahren) wird mir noch extra-freundlich zugehupt. Ohrenbetäubend. In Baku dann wieder die gewohnte Situation: keine Schilder, keine Straßennamen. Aber mal wieder haben wir Glück. Wir werden –wie so oft- von Passanten angesprochen und als wir nach einem Middle-class Hotel fragen, lassen sie es sich nicht nehmen, uns den Weg zu zeigen. Kreuz und quer durch die Stadt, das erste Hotel hat geschlossen, dann weiter zum nächsten (... dabei zwischendurch in einer kleinen Gasse mit dem Auspuffgeräusch meiner nur theoretisch legalen GPR-Anlage die Alarmanlagen von 15 Lada`s ausgelöst ), das dann auch auf hat. Die Bude ist sauber, der Preis ist OK. Als ich dann abends ein Taxi bestellen will, um morgens einen Kunden zu besuchen, stellt sich heraus: Ich brauch kein Taxi, die Firma ist nur 150m entfernt. Zufälle gibt`s! Das Essen fällt heute Abend aus, das Restaurant im Hotel hat schon geschlossen und in diesem Teil der Stadt gibt es nichts anderes. Also zum nächsten Kiosk: 3 Bier und `ne Tüte Chips.
Samstag, 17.5.
Nach meinem Termin morgens werden wir von meinem Kunden zum Fährterminal gebracht, um die Tickets für die Fähre nach Turkmenbashi zu kaufen. War natürlich das falsche Terminal, also zu Fuß zum nächsten. Dort wird uns gesagt, dass wir um 15 h wiederkommen sollen, die Fähre würde um 20 h ablegen. OK
Um 15.00 kommen wir zurück. Pro Person sollen wir 100US$ bezahlen, das ist OK. Das Solomoped soll auch 100 kosten, die Gespanne 200. Aber der Mitarbeiter der hiesigen korrupten Fährgesellschaft kommt uns entgegen: Wir bekommen eine Quittung über 110$, und die restlichen 90 teilen wir uns: 45 ich bzw. Dirk, insgesamt 90 er. Nach dem Deal war er dann so gut gelaunt, das er uns ohne Ende über die überaus positiven Zukunftsaussichten seines Landes erzählt hat (damit war sicherlich auch seine Zukunft gemeint) und Udo eine Gebetskette als Souvenir geschenkt hat. Wir revanchieren uns mit einem Taschenmesser. Er ist durchaus beeindruckt und erklärt, dass jemandem ein Messer zu schenken, ein besonderer Ausdruck von Freundschaft ist. Trotzdem hat er die 90 $ nicht wieder herausgerückt.
Den Rest des Tages verbringen wir mit Kaffe kochen, rumsitzen und schwatzen: wir warten. Als wir abends dann die Zollformalitäten erledigen, sollen wir unser Gepäck zum Röntgen bringen. Alles? Nein, nein, nur 1 oder 2 Taschen. Dass wir die Taschen dann noch selbst aussuchen dürfen, macht natürlich die ganze Geschichte noch absurder, aber immerhin ist das Procedere eingehalten.
An Board haben wir eine Kabine für uns. Insgesamt sind neben uns ca. 20 andere Passagiere an Board und deswegen hat auch kein Cafe oder Restaurant auf. Aber wir waren vorgewarnt und haben Proviant dabei.
Sonntag, 18.5.
Wir leben hier, als wenn wir Zelten würden: Kaffee kochen, Essen aufwärmen (auf dem Benzinkocher mit Aserbaidschanischen Sprit, es stinkt zum Himmel) und genießen die Sonne an Oberdeck. Als wir in die Bucht von Turkmenbashi einlaufen, liegen da noch 2 andere Fähren auf Reede. Unser Dampfer geht auch vor Anker und kein Mensch kann uns sagen, wann wir einlaufen. Für jemanden, der Skandinavienfähren gewohnt ist, die immer pünktlich sind, ist das nur schwer zu verstehen. Schlussendlich bleiben wir noch eine weitere Nacht hier liegen.
Montag, 19.5.
Neuer Tag, neues Glück. Ich frage jemanden von der Besatzung, wann wir einlaufen. Die Antwort ist: Entweder heute Morgen oder heute Abend. Naja, immerhin heute.
Nachmittags ist es dann soweit, wir sind in Turkmenbashi. Das Zollprocedere ist unglaublich kompliziert, man ist damit 2 Stunden beschäftigt - ohne zu warten- und natürlich ist das auch mit Geld verbunden: Straßengebühr, Versicherung, Hafengebühr, Gebühr für das Ausfüllen eines Formulars ( kein Witz!), uns so weiter. In der Stadt haben wir dann wieder das alte Problem, kein Schild weit und breit. Wir werden von einem freundlichen Autofahrer durch die halbe Stadt gelotst (leider nur durch die halbe) und als wir endlich den Weg nach Ashgabat gefunden haben, wurden wir bereits 3 mal von der Polizei kontrolliert ( mit aufschreiben von Personen- und Fahrzeugdaten, Fahrtziel und Uhrzeit; Big Brother is watching you) Es ist mittlerweile dunkel und man kommt nur langsam voran, weil man die Löcher in der Straße nur spät sieht. Wir halten an einer Karawanserei, um etwas zu essen und zu trinken. Hier sind wir wirklich im Orient angekommen. Man liegt zu Tisch! (auf Gestellen, die vielleicht so groß sind wie 3 Betten und mit einem Teppich belegt sind). Wir werden in die Küche eingeladen, um Etwas zu essen auszusuchen. In mehreren Töpfen brodelt es und wir bestellen per Fingerzeig. Wir probieren auch Kumis, vergorene Stutenmilch, die in etwa so schmeckt wie sehr saurer Joghurt. Ich lehne trotzdem ab; in einigen Reiseführern stand, dass der westliche Magen damit so seine Probleme hat. Die Atmosphäre ist sehr entspannt und nach einigen Minuten sind wir das auch. Echt gut. Nach der Pause fahren wir noch ein Stück, um dann die Zelte abseits der Strasse in der Wüste aufzubauen.
Dienstag, 20.5.
Was wir abends als Weg zu einer Pumpstation identifiziert haben, entpuppt sich bei Tageslicht als Siedlung und wir zelten direkt am Weg dorthin. Ein LKW hält und als Udo grüßt, winken wie auf Kommando alle 6 Leute im Führerhaus direkt zurück. Ein Isch-Fahrer hält und erklärt uns, aus welchen Teilen er sein Moped gebaut hat.
Es ist erst 7.30 Uhr, aber die Temperatur im Zelt ist unglaublich; in der Wüste wird man automatisch zum Frühaufsteher. Die Strasse ist weiterhin geteert, allerdings mit vielen Schlaglöchern. Dafür sind die Pausen unglaublich gut, wir haben uns längst an die „Teebetten“ gewöhnt.
Abends in Ashgabat wollen wir Proviant nachfassen. Wir fragen nach einem Supermarkt und werden mal wieder von einem Taxifahrer durch die Stadt gelotst. Wir halten vor dem Supermarkt und Dirk und ich steigen in das Taxi, um kurz beim örtlichen Geldtauscher Dollars gegen Manat zu tauschen. Der offizielle Kurs ist 1:13000, der Schwarzmarktkurs besser als 1:14000. Udo wartet bei den Mopeds. Leider ist in Ashgabat das Rauchen auf der Strasse verboten. Gut für die Gesundheit, schlecht für Udo! Wir kaufen dann ein und lassen uns 2 l lokales Bier in Colaflaschen abfüllen. Wieder ist Udo bei den Mopeds geblieben und als wir wiederkommen erzählt er, dass ein Autofahrer unsere Kisten so bewundert hat, dass er auf das nächste Auto aufgefahren ist.
Mittwoch, 21.5.
Wir tun uns etwas Kultur an, indem wir eine alte Siedlung besichtigen. Eine imposant große Burg liegt daneben. Man kann zwar noch einige Wege und Grundmauern erkennen, aber scheinbar wird die Ausgrabung nicht besonders gepflegt.
Die Umgebung verändert sich langsam. Sind wir gestern noch durch eine flache Geröllwüste gefahren, so sieht es heute so aus, wie man sich eine Wüste vorstellt.
Sanddünen rechts und links soweit das Auge reicht. Heuschrecken werden von unserem Motorengeräusch aufgeschreckt und fliegen zwischen uns hindurch.
Abends kommen wir in Turkmenabat an und fragen einen Polizisten nach einer Tankstelle und dem Weg zur Grenze. Er zeigt uns die Tankstelle, erwähnt aber nicht, dass der direkte Weg dorthin, den er uns zeigt, durch eine 4-spurige Einbahnstraße geht, selbstverständlich gegen die Fahrtrichtung. Die ersten 200-300 Meter merken wir das gar nicht, weil kein Verkehr ist, aber als dann 4 Fahrzeuge nebeneinander auf uns zukommen, beeilen wir uns wirklich, um auf die Tanke abzubiegen. Den Grenzübergang ohne einen Lotsen zu finden ist schlichtweg nicht möglich, es gibt keine Schilder und der Weg führt kreuz und quer durch ein Industriegebiet. Nachdem wir dann noch einmal Straßengebühr bezahlt haben, kommen wir zur Grenze. Zur geschlossenen Grenze. Abfertigung nur von 8.00 bis 18.00Uhr. Prima, damit ist unser Transitvisum abgelaufen. Wir fragen den Grenzsoldaten und campieren 2m vor dem Grenzzaun. Das ist quasi die Pole-Position für den nächsten Morgen und eine neue Erfahrung für uns.
Donnerstag, 22.5.
Am nächsten Morgen dann das übliche Grenzprocedere. Man müsse erst mit Ashgabat telefonieren und die dann mit Berlin, ooooder wir können gegen Bezahlung von 350US$ gleich weiter; natürlich bezahlen wir. Auf der anderen Seite bei den Usbekischen Grenzbehörden versuchen wir gleich unser Visum zu verlängern, bekommen aber die Auskunft dass das nur in Samarkand möglich sei. Na gut , dann da.
Die Straße wird deutlich besser, aber auch deutlich langweiliger. Im Wesentlichen fahren wir durch kleine Ortschaften und erreichen am Abend Samarkand. Wir checken in ein Hotel ein und nehmen uns vor, am nächsten Morgen zuerst die Geschichte mit den Visa zu klären.
Leider kommt alles anders. Gegen 21.00Uhr klopft ein freundlicher Hotelmitarbeiter und sagt, dass unser Visum heute abläuft. Deswegen seien wir illegal und müssen wieder ausziehen. Viele Telefonate und Diskussionen später gegen 23.30 Uhr verlassen wir Samarkand. Wir beschließen bis zur Grenze nach Tadschikistan zu fahren und dort irgendwo zu übernachten. Die Stimmung war schon mal deutlich besser, es ist dunkel, kalt, Udo hat sich mit Montezuma angelegt und prompt verloren und wir hatten uns alle auf ein schönes weiches Bett gefreut.
Um 2.00 Uhr erreichen wir die Grenze: Alles dunkel, alles zu. Also doch noch in Usbekistan übernachten? Da kommt eine Taschenlampe auf uns zu und kurz darauf spricht uns der Träger derselben an. Nachdem er verstanden hat, dass wir nach Tadschikistan wollen, fragt er per Funkgerät nach, was er mit uns machen soll und das Unglaubliche geschieht: Lichter gehen an und die Grenze wird für uns geöffnet! Wir fahren zum Abfertigungsgebäude vor, gehen rein und fangen an, die zahlreichen Formulare auszufüllen. Es ist der 23ste morgens 2.30Uhr, also eigentlich gefühlt noch der 22ste und da unser Visum am 22ten ausgelaufen ist, tragen wir als Datum eben diesen 22sten ein. Der Zöllner, der zwischendurch mit frischen Marlboros versorgt wurde, erkennt das falsche Datum natürlich sofort und korrigiert es. Erst einige Zigaretten später sieht er, dass unser Visum abgelaufen ist und weiß dann nicht mehr was zu tun ist. Er klingelt seinen Boss aus dem Bett, der sich anfangs unsere Papiere nur mäßig gelaunt ansieht. Einige weitere Marlboros später entscheiden sie, das Datum auf den Formularen wieder zurückzukorrigieren und uns einfach abzufertigen. Wir röntgen mal wieder 1 bis 2 Gepäckstücke und fahren bis zum tadschikischen Posten weiter.
Hier ist noch deutlich mehr Action, nur einige Wodkaflaschen haben den Abend nicht überlebt. In der „Baubude“ herrscht ein ziemliches Gewusel: alles redet durcheinander und die Leute haben sichtlich Spaß. Wir auch, hatten wir doch nicht erwartet, dass wir noch in der Nacht die Grenze passieren können. Wir fahren noch einige Kilometer nach Tadschikistan rein und bauen dann neben einem Feldweg die Zelte auf. Gute Nacht !
Freitag, 23.5.
Morgens zum Kaffee haben wir Besuch. Ein Bauer, der dort wohnt, kommt und nachdem alle Kommunikationsversuche gescheitert sind, schaut er uns wortlos aber interessiert zu, wie wir die Zelte abbauen, frühstücken und unsere Sachen packen. Als wir fahren, grüßt er noch, aber das war’s auch schon.
War es gestern in Usbekistan noch sehr „zivilisiert“ mit tollen Straßen und fast westlichen Vororten um Samarkand, so sind wir heute in einer anderen Welt. Die Dörfer, durch die wir fahren wirken sehr arm und die Straße wird immer schlechter. Trotzdem kommen wir anfangs gut voran und die Tankstelle, die an der Zapfsäule eine Kurbel hat mit der wir das Benzin in die Mopeds pumpen, kommt unserer Abenteuerlust entgegen. Die Landschaft tut ihr übriges: Die Berge sind zum Teil sehr hoch und schneebedeckt, andere wirken wie aufgefaltet mit bunten Gesteinsschichten. Nach und nach verwandelt sich die Straße von der Klasse „geteerter Feldweg“ in die Version „ hier war mal ein Weg“.
Das Fahren macht Spaß und die Landschaft wird dazu immer schöner, das Problem ist nur das wir heute eigentlich 250km fahren wollen. Das wird wohl nix! Und dass wir ständig zum Fotografieren anhalten, macht uns auch nicht wirklich schneller. Aber heute Nachmittag erreichen wir die M34 (das M steht für Motorway), da können wir Zeit aufholen. Denken wir, wir sind schließlich Optimisten…. Optimisten sind auch die Mitarbeiter der chinesischen Baugesellschaft, die zwischen Ayni und Varzob eine 100km lange Baustelle der allerübelsten Sorte eingerichtet haben und glauben, irgendwann mit der Straße fertig zu werden. Auf den Bildern kann man erahnen, wie die Piste aussieht. Zum Teil festgefahrener Lehm mit unglaublichen „Bodensenken“, zum Teil aber auch Geröllpisten. Auch spätabends sind da noch jede Menge Laster unterwegs und stauben uns ein und rauben uns das letzte bisschen Vergnügen. Auf der Suche nach einem Schlafplatz denken wir kurz über ein Wartehäuschen nach, aber als ein Lkw die Gegend komplett einstaubt, verwerfen wir den Plan. Ein paar Kilometer weiter sehen wir einen großen Parkplatz, auf dem wir campen können. Aber als wir anhalten, bietet der Besitzer desselben uns an, dass wir eine Hütte bei ihm mieten können. Da haben wir, wie schon so oft, wirklich Glück gehabt.
Samstag, 24.5.
Am nächsten Tag machen wir uns dann weiter auf den Weg nach Dushanbe. Die Baustelle will und will nicht enden, aber die Landschaft ist atemberaubend und wir fühlen uns wie Marco Polo persönlich. Wir halten einige Male an und werden, wenn wir in einem Dorf sind, sofort von Menschen umringt, die immer alles von uns wissen wollen: Wo kommt ihr her, wohin fahrt ihr jetzt und was sind das für Motorräder …
Und dann kommt er: der berühmt berüchtigte Pass von Anzob, oder besser: der Tunnel unter dem Pass von Anzob. Ich hatte schon Videos davon auf Youtube gesehen, aber der Anblick im Original ist schon beeindruckend. Zwei große Tunneleinfahrten, die rechte OK, die Linke voller Qualm und dazu Wasser soweit man sehen konnte. Die schlechte Nachricht ist, dass wir durch die linke Röhre müssen, die gute Nachricht ist, dass das Wasser im Tunnel nur Kniehoch steht.
Vor allem Udo auf der KTM ringt der See in der Tunneleinfahrt mächtig Respekt ab, aber als wir sein Gepäck auf die Gespanne umgeladen haben fühlt er sich schon besser und wir lassen uns auf das Abenteuer ein. Der See ist dann auch nur vielleicht 100m lang und - wie von den Bauarbeitern versprochen- nur knietief (… an der Stelle möchte ich anmerken, dass mein Moped durch den breiten Vorderreifen von uns dreien die schönste Bugwelle hat ). Der Rest ist Baustelle, Stau, Dieselqualm und kleine Quellen die zwischen den Betonbodenplatten lustig 40cm in die Höhe sprudeln.
Am Tunnelausgang halten wir an und stellen fest: na, so schlimm war’s gar nicht, sogar die Mopeds sind ein bisschen sauberer geworden. Wir fahren bis mittags weiter und halten an einem Gasthof der natürlich auch einige von den „Teebetten“ hat, eben diese mit dicken Teppichen ausgelegten Holzbetten, die zu ausgedehnten Pausen und vielleicht zu einem kleinen Nickerchen einladen. Wir haben noch ca. 80 km bis nach Dushanbe und, man glaubt es kaum, hinter der nächsten Kurve beginnt allerfeinster Asphalt. Nach den vielen Kilometern geländefahren ist das sehr entspannend.
In Dushanbe angekommen, suchen wir eine Unterkunft und werden von einem amerikanischen Hochschullehrer ( in Dushanbe? Sachen gibt’s!) zu einem Hotel geschickt, das sich aber als sozialistischer Betonklotz entpuppt und obendrein zu teuer ist. Der Lonley Planet Reiseführer empfiehlt das Adventurer’s Inn, und nach einigem Hin- und Her werden wir von einem Taxi dorthin gelotst. Wunderbare, frisch bezogene Betten und eine funktionierende Dusche ( die Wassertemperatur ist einstellbar!! )
erwarten uns. Der einzige weitere Gast ist Magnus, ein Schotte der in Hongkong lebt und seinen neuen Reiseführer für Tadschikistan hier über die Botschaften der verschiedenen Länder promoten will. Der Anruf eines russischen Freundes erinnert mich daran, dass ich heute Geburtstag habe und zur Feier des Tages gehen wir in Dushanbe essen. (Anm. des Lektors: natürlich hat ihn seine in Barnstorf campende Familie auch schon daran erinnert und den Geburtstag sowie den gleichzeitigen Hochzeitstag abends am Lagerfeuer gebührend begossen…)
Sonntag, 25.5.
So muss ein Sonntag beginnen: Auf der Terrasse lecker frühstücken, am Rande einer Stadt die in einer tollen Landschaft liegt mit der Aussicht, dass der Urlaub noch nicht zur Hälfte um ist und man noch mehr als 2 Wochen mit dem Moped durch fremde Länder fahren kann.
Erst spät fahren wir los, aber wollen doch versuchen noch den halben Weg nach Khorog zu fahren. Nachdem wir die ersten 50 Kilometer gefahren haben, finde ich eine brandneue Tankstelle; vielleicht die letzte Gelegenheit noch einmal vernünftigen Sprit zu bekommen.
Dazu muss man wissen, dass mein Moped gerne mit Super fährt ( 95 Oktan), es sich aber auch mit Normal (92 Oktan) zufrieden gibt. An einigen Tankstellen gibt es aber nur 82 oder, wenn’s herbe wird, nur 76 Oktan. Laut einem Freund ist das die Oktanzahl von flüssigem Kerzenwachs , und ich weiß nicht ob mein Moped mit flüssigem Kerzenwachs fährt.
Ich fahre also an die Säule und frage den Tankwart ob er 95 Oktan hat. Er sagt ja und ich bedeute ihm, dass ich volltanken will. Aber anstatt jetzt die brandneue Zapfsäule zu benutzen, taucht er einen kleinen Eimer in eine „Mülltonne“ voller Benzin hinter der Säule und befüllt damit meinen Tank. Dass er dabei geraucht hat, brauche ich sicherlich nicht extra zu erwähnen.
Wir fahren durch einige kleinere Ortschaften, aber nach und nach wird der Verkehr weniger und wir nähern uns wieder mehr den Bergen. Die Strasse, anfangs noch gut, hört irgendwann einfach auf zu existieren und wir fahren wieder auf Feldwegen. Das geht anfangs auch ganz gut, aber irgendwann schlägt die hintere Federung einmal durch. Ich versuche, den großen Löchern in der Strasse besser auszuweichen, aber immer wieder passiert es und als wir die nächste Pause machen, sehe ich das Problem: der hintere Stoßdämpfer verliert Öl und damit auch seine Dämpfung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man auf diesen Strassen ohne Dämpfer unterwegs sein kann; auf der anderen Seite können Udo und Dirk auch nicht helfen. Also beschließen wir folgendes: Udo und Dirk fahren weiter nach Khorog und dann weiter über den Pamir-Highway. Ich fahre zurück nach Dushanbe und versuche dort den Dämpfer zu tauschen oder zu reparieren. Wir treffen uns dann wieder in Sary-Tash in Kirgisistan. Ich fahre also zurück und bin abends wieder da, wo ich morgens gestartet bin: Im Adventurer’s Inn. Magnus ist auch noch da und hört sich interessiert die Geschichte meines Tages an. Wir gehen zusammen mit 2 Leuten von der UN, die hier in Dushanbe leben und arbeiten, essen. William, einer der beiden, stammt aus England, lebt einen Teil des Jahres in Tadschikistan , einen anderen Teil in Simbabwe ( seine Frau stammt von dort) aber ist daneben auch oft in England oder in Afghanistan: es war ein sehr kurzweiliger Abend !
Montag, 26.5.
6.00Uhr.Rumoren im Bauch und ein Sprint zur Toilette: Montezuma hat auch mich eingeholt. Das Leitungswasser hat hier keine Trinkwasserqualität, es wird einfach aus dem Fluss in die Leitungen gepumpt. Ich habe nicht genug aufgepasst, wahrscheinlich habe ich mir einmal mit Leitungswasser die Zähne geputzt. Witzigerweise habe ich sonst keine Probleme, solange eine Toilette in der Nähe ist, ist die Welt in Ordnung.
Ich fange an, das Federbein auszubauen und mache mich dann mit einem der Fahrer vom Gästehaus auf die Suche nach einer Werkstatt. Aber um’s vorwegzunehmen, es gibt in Dushanbe fast keine westlichen Motorräder und auch bei den Autowerkstätten kann man mir nicht helfen.
Der Mitarbeiter von Wilbers, mit dem ich telefoniere, sagt, dass es ohne Spezialwerkzeug keine Möglichkeit gibt, den Dämpfer zu reparieren. Und nu? Ich habe zuhause noch ein gebrauchtes aber funktionierendes Federbein und rufe meine Kollegen an, um herauszufinden, ob man das Teil irgendwie schnell nach Dushanbe schicken kann. Ich fahre derweil zum nächsten DHL-Büro, wo mir versprochen wird, dass das Ersatzteil in 5 Tagen hier sein kann. Könnte klappen! Abends bekomme ich eine SMS von Dirk. Er ist mit einem defekten Radlager am Beiwagenrad in Khorog gestrandet. Ein Händler vor Ort hat das Lager bestellt.
Dienstag, 27.5.
Und hier beginnt der Teil der Geschichte, der mich wieder an Vorsehung und Schicksal glauben lässt.
Die Tante einer Arbeitskollegin stammt aus Dushanbe und hat Geschäftsbeziehungen hierher. Also genau die Person, die man fragen muss, wie man am besten ein Paket hierher verschickt. Die unerwartete, unglaubliche und beste aller Antworten war: Ich fliege am Mittwoch nach Dushanbe und nehme es mit!
Die Mitarbeiter im Gästehaus hatten mich schon gefragt, wie ich bei meinem Problem noch so gut gelaunt sein kann, aber jetzt renne ich nur noch mit breitem Grinsen durch die Gegend.
Auch eine weitere schlechte Nachricht kann mich nicht beeindrucken: Der Grenzübergang an der Strasse nach Sary-Tash ist für Touristen nicht passierbar, ich muss entweder über Usbekistan (Visum abgelaufen) oder über Khorog und den Pamir Highway fahren. Die Entscheidung woher ich fahre nimmt mir die Usbekische Botschaft ab: ein Transitvisum dauert deutlich über eine Woche.
Dirk ist mittlerweile nicht mehr sicher ob das bestellte Lager wirklich in Khorog eintrifft und ich mache mich in Dushanbe auf Autobasaren und in allen erreichbaren Läden auf die Suche nach einem Radlager für ihn.
Allerdings findet man hier in allen Läden nur Teile für Autos und das Lager, das Dirk braucht ist wirklich nirgends aufzutreiben.
Abends gehen wir ( Magnus , William mit Frau und Tochter und ich) gemeinsam essen und ich erzähle von Dirks Missgeschick. William erwidert, dass der Transport kein Problem sei, am nächsten Vormittag fliegt ein Hubschrauber nach Khorog. Wenn ich noch ein Lager finden sollte, kann es mitfliegen.
Mittwoch, 28.5.
Montezuma meint es wirklich herzlich mit mir, meine Medikamente wirken immer für einige Stunden, aber beseitigen das Problem nicht. Trotzdem mache ich mich mal wieder auf den Weg, um ein Radlager für Dirk zu finden, scheitere aber erneut. William ruft mich mittags an und der Hubschrauber fliegt ohne das Lager. Immerhin finde ich einige Mitbringsel für meine Familie, sehe etwas von Dushanbe und wasche abends meine komplette Wäsche.
Donnerstag, 29.5.
6.00 Uhr, ab zum Flughafen. Ich treffe Angela, aber als wir den Koffer aufmachen, kann ich’s kaum glauben: Statt des Federbeins liegt nur ein Formular im Koffer: ein Gasdruck-Stossdämpfer darf nicht im normalen Gepäck transportiert werden und wurde deswegen in Hannover am Flughafen entnommen.
Das darf doch wohl nicht wahr sein!
Auf dem Weg zurück zum Hotel überlege ich, was ich tun kann. Noch einmal auf einen Transport warten, der dann vielleicht auch nicht kommt, will ich nicht. Über Usbekistan geht nicht. Also geht nur eines: Ich baue das Moped mit dem kaputten Dämpfer wieder zusammen und fahre auch nach Khorog und versuche Dirk und Udo wieder einzuholen ( mit „ohne Dämpfer“: Optimist)
Am Gästehaus angekommen schreibe ich erstmal eine Mail an meine Kollegen, die sich so bemüht haben.
Das Moped zusammenzuschrauben ist eine reine Fleißarbeit, in einer Stunde ist der Dampfer ( Sie fährt jetzt wirklich so) wieder am Stück. Ich verabschiede mich von den Leuten des Adventurer’s Inn und mache mich auf den Weg. Das Wetter ist super, ich kenne die ersten 60km noch von Sonntag und genieße die Fahrt. Ich habe mich derartig daran gewöhnt, jeden Tag Motorrad zu fahren, dass ich es in den letzten Tagen wirklich vermisst habe. Eine Pause mache ich unfreiwillig: Ich hab eine Gepäckrolle verloren. Da ich mich oft umgedreht habe, um alles im Auge zu behalten, kann ich sie nur auf den letzten 2-3 Kilometern verloren haben, das sollte kein Problem sein. Also rechts ran, den Laster hinter mir vorbeilassen und dann umdrehen um die Rolle zu suchen. Was natürlich nicht funktioniert; der Laster hält an und der Fahrer fragt mich, ob er mir helfen kann. Ich versuche wort- und gestenreich zu erklären, dass ich umdrehen und mein Gepäck suchen muss, da hält neben mir ein Kleinbus und der Fahrer gibt mir meine Rolle. Ich bin einigermaßen überrascht. Was noch fehlt ist der 3,50 Euro teure Campingstuhl, den ich aber auf das Konto „Verluste“ wegbuche.
Weiter geht`s , ich will schließlich morgen in Khorog sein.
Die Strasse führt jetzt am Grenzfluss zu Afghanistan lang und man kann noch die letzten Überbleibsel des Sowjetischen Einmarsches in Afghanistan sehen. An der Strasse stehen Schilder, die auf Minenfelder hinweisen und im Fluss und am Ufer liegen Panzerwracks Es wird langsam dämmerig und bei einer Pause lädt mich ein Schafhirte zum Tee ein. Viel Reden funktioniert nicht, aber es ist himmlisch ruhig und ich genieße die Landschaft und freue mich des Lebens. Einfach so.
Den Weg zu finden ist sehr einfach, es gibt nur diese eine Straße. Irgendwann muss ich rechts abbiegen, um nicht nach Sary-Tash sondern nach Khorog zu fahren, aber diese Kreuzung sollte einfach zu finden sein. Denke ich. Später freue ich mich über den tollen Sonnenuntergang, wundere mich dann aber, dass die Sonne nicht rechts von mir steht sonder links hinter mir. Ich schalte den PDA mit der Navigation ein (hatte tagsüber keinen Wert, das Display kam nicht gegen die Sonne an) und stelle fest, dass ich schon über 30km , d.h. eine Stunde an der Kreuzung vorbei bin. Ich fahre zurück bis zu dem Punkt, an dem der Abzweig sein muss, kann aber nichts finden. Ich bin noch 2 mal hin und her gefahren, aber eine Kreuzung kann ich nicht entdecken. Dafür sehe ich ein Gasthaus und gönne mir erst einmal einen Tee. Natürlich frage ich, wo die Straße nach Khorog ist. Der Wirt bedeutet mir, dass ich links abbiegen muss, aber auf meine Frage:
„Wieviel Kilometer?“ lacht er nur. Die Straße biegt direkt hinter dem Haus ab!
Ich fahre noch 2 Stunden nach Süden, wobei ich immer wieder anhalten muss, um Kolonnen von chinesischen Kleinbussen vorbeizulassen, die auf dem Weg nach Dushanbe sind. Die erste Möglichkeit zu übernachten ist ein Gasthaus, das in seinem „Park“ einige Hütten hat. Ich miete mich da ein, trinke noch ein Bier und gehe schlafen.
Freitag , 30.5.
Waschen und Zähneputzen muss ich heute „open air“, das einzige fließende Wasser ist der Bach im Garten. Nachdem sich mein Magen gerade wieder beruhigt hat, bin ich froh, dass ich einen Wasserfilter dabei habe, der ab jetzt mein ständiger Begleiter wird. Der Weg ist hier mittelmäßig abenteuerlich, wenn mir ein anderes Fahrzeug entgegenkommt, muss einer anhalten, da der Feldweg keine 2 Fahrspuren hergibt Ich überquere mehrfach den Fluss, der hier nicht mehr die Grenze zu Afghanistan ist. Wie gesagt, einige male überquere ich ihn, aber einige Male durchquere ich ihn auch. Stellenweise sind die Brücken nie fertig geworden, anderenorts sind die Brücken einfach weggespült. Ich habe Glück, bleibe nie stecken wie viele andere PKWs oder auch LKWs.
An einer der Brücken finde ich einen Tanklaster, die hier die Tankstellen ersetzen. Der Tankwart macht mir den Tank mit einer benzinähnlichen Flüssigkeit voll und ich hoffe nur, dass meine italienische Diva auch damit fährt. Das schöne ist, dass ich mal wieder zum Tee eingeladen werde und so in aller Ruhe mit meiner Frau telefonieren kann. Ich habe auch eine Netzanzeige auf dem Handy, aber scheinbar gibt es keine Roaming-Vereinbarung – es funktioniert nicht. Ein Polizist, mit dem ich vorher schon gesprochen habe, fragt mich, ob ich Probleme habe und ich erkläre ihm mein Malheur. Er bietet mir sofort an, dass ich sein Telefon benutzen kann, ja, er besteht sogar darauf. Ich führe ein 30 sek Gespräch mit meiner Frau und revanchiere mich mit einem Taschenmesser. Später frage ich mich, ob mir oder gar einem Tadschiken das gleiche in Deutschland passiert wäre. Hätte ich ihm mein Telefon gegeben?
Die Strasse wird langsam besser und ich bin mittags schon in Khorog. Direkt am Orteingang halte ich an, um Dirk anzurufen und die Pamir-Lodge zu finden, als hinter mir ein LKW anhält und wie wild hupt. Ich denke, dass ich ihm im Weg stehe und will gerade das Moped weiter an die Seite schieben, als der Fahrer aussteigt und mir meinen Campingstuhl gibt. Ich bin so überrascht, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll, aber mein unbekannter Freund erwartet auch nichts als ein kurzes Danke und fährt davon.
Ich treffe mich mit Dirk und wir fahren zur Pamir-Lodge. Udo ist dabei, sein Moped auf das schlechte Benzin umzustellen und ich nehme mir die Zeit für eine Dusche.
Dusche ist aber nicht, das „Badezimmer“ besteht aus einem Wasserfass, aus dem man sich mit eine Kelle Wasser nimmt und sich damit wäscht. Will man warmes Wasser, muss man all seinen Mut zusammennehmen und 2 abisolierte Drahtenden in eine Steckdose stecken. Ich wasche mich kalt.
Dirk hat sein Problem mit dem Radlager inzwischen dadurch gelöst, dass er ein Ural-Rad gekauft hat, das auf die Achse seines Beiwagens passt. Das Rad sieht einigermaßen furchtbar aus und eiert ziemlich. Würde man damit durch den Schnee fahren, würde man keine gerade Spur sondern eine Schlangenlinie hinterlassen .Die Bremse passt natürlich auch nicht und verschwindet deswegen im Gepäck. Wer bremst, verliert!
Gegen Mittag verlassen wir die Pamir-Lodge, um auf dem Basar von Khorog unsere Vorräte aufzufüllen und die Mopeds zu betanken. Die Tanke hat keinen Strom, aber 200m weiter steht ein Tanklaster, der uns mit Brennstoff versorgt.
Und dann geht´s los zu einem im wahrsten Sinn des Wortes Höhepunkt auf unserer Tour: dem Pamir Highway. Die Straße geht kontinuierlich bergan und wir schrauben uns von den 2000 Höhenmetern in Khorog auf über 4000m hinauf. Der Pamirhighway führt über eine Hochebene auf der wir fast 2 Tage unterwegs sind.
Auf beiden Seiten bilden bis zu 6000m hohe Berge das Panorama; es gibt keine Vegetation und es ist keine Menschenseele außer uns unterwegs. Stellenweise unwirklich! Die positive Überraschung sind die Mopeds, ich hatte damit gerechnet, dass der V2 auf dieser Höhe keine Leistung hat, aber außer einer leichten Anfahrschwäche geht das Biest immer noch gut. Hier und da sieht man auch mal ein Haus und wir fragen uns: Wovon lebt man hier? Kein Ackerbau, nichts wo man Vieh hätte weiden lassen können, keine Tiere die man jagen kann. Einfach nichts.
Als es Dunkel und kalt wird stellt sich mal wieder die Frage der Übernachtung. Udo hält an einem Haus an dem noch Licht brennt. Wir brauchen eigentlich die Frage nach einem Schlafplatz nicht zu stellen, wahrscheinlich gibt es keinen anderen Grund, hier zu halten. Unser Nachtquartier ist ein großer Raum, der ganz mit Teppichen ausgelegt und, nachdem ein kleiner Ofen angeschürt ist, auch warm ist. Zum Abendbrot gibt`s gebackenen Fisch und für jeden ein halbes Bier!
Sonntag, 1.6.
Am nächsten Morgen brauche ich nach dem Aufwachen eine halbe Stunde, um wirklich wach zu werden; außerdem kann ich kaum etwas sehen. Scheinbar macht mir die Höhe mehr zu schaffen als meinem Moped. Das wiederum ist von einer hauchdünnen Eisschicht überzogen und will erst einmal das Schutzblech vom Beiwagen gerichtet haben. Während ich so herumschraube, denke ich: „ Frostige Temperaturen hier, wir sind auf 4000m Höhe und im Tank habe ich Benzin mit 76 Oktan. Ob sie wohl anspringt?“
Sie tut’s, genau wie die anderen beiden auch. Und so sind wir wieder unterwegs. Die nächste Etappe ist Murgab, ein kleine Stadt mitten im Nichts. Kurz bevor wir ankommen, halten wir- wie schon so oft in den letzten Tagen- an, um Fotos zu machen. Unter uns am Fuß des Hügels sehen wir ein kleines Haus und plötzlich taucht es auf: Das rundeste und mintfarbenste aller Uralräder im Umkreis von mehreren 100 KM, als Reserverad auf eine ebenso mintfarbene 650er Ural montiert. Das Rad, das Dirk in Khorog gekauft hat, hat wirklich nicht unser Vertrauen und so versucht Dirk dem Besitzer der mintgrünen Ural das Ersatzrad abzukaufen. Der ziert sich erst ein bisschen, kann dann aber der Versuchung der kleinen grünen Scheine nicht widerstehen.
Das Rad wird sofort montiert und, wie könnte es anders sein, wir werden zum Tee in das Haus des Uralfahrers eingeladen. Als wir weiterfahren, sehen wir ihn später an einem Polizeiposten wieder, da transportiert er einige Ziegen in seinem Beiwagen.
Murgab liegt vielleicht nicht am Ende der Welt, aber von hier aus kann es nicht mehr weit sein. Man kann nichts Schönes entdecken, warum und wovon lebt man hier? Tankstellen gibt es hier natürlich auch nicht, nicht einmal Tanklaster. Wenn jemand Benzin zu verkaufen hat, stellt er es in alten Colaflaschen oder Kanistern vor die Haustür oder schreibt das Wort „Benzin“ an eine Wand oder Tür. An unserer „Tankstelle“ werden unsere Tanks von einem vielleicht 15-jährigen Jungen aufgefüllt. Er hat furchtbar aufgeplatzte und gerissene Haut an den Händen, sicherlich vom ständigen Umgang mit dem Benzin. Dirk und ich fahren noch auf den Basar um etwas zu essen und zu trinken zu kaufen. Inmitten der Blechbuden sind wir, speziell bei den Kindern, die Attraktion. Einige betteln und wir verteilen ein paar von meinen T-Shirts.
Der weitere Weg führt uns immer noch über die Hochebene und wir nähern uns dem östlichsten Punkt unserer Tour. Wir sind stellenweise der chinesischen Grenze so nahe, dass man den Grenzzaun sehen kann. Immer wieder machen wir Pausen um zu fotografieren. Das nächste Highlight kommt nur kurze Zeit später; der 4655m hohe Akbaytal Pass ist der höchste Punkt unserer Reise.
Wir übernachten in einem Home-Stay am Karakul, einem See, der ebenfalls auf ca. 4000m Höhe liegt. Das einzige Grün ist eine Ecke des Sees, in dem etwas Schilf wächst mit einer kleinen Wiese davor. Uns kommt ein Radfahrer entgegen, der die Kosten des Homestays scheut und auf der Wiese campt. Wir gönnen uns den Luxus der festen Herberge.
Wir treffen auf ein englischen Paar, die mit Bussen und als Anhalter durch Zentralasien unterwegs sind und hören uns Geschichten über eine abenteuerliche Tour mit dem Ultraleichtflugzeug von England nach Indien an. Wenn man bedenkt, dass wir schon Radfahrer und Tramper getroffen haben, die zum Teil lange Zeit hier unterwegs sind, sind wir eigentlich ganz normale Touristen.
Montag, 2.6.
Unser letzter Tag in Tadschikistan . Der Weg nach Kirgistan führt uns über zum Teil abenteuerliche Pisten erst von der Hochebene herunter und dann wieder zur Grenze herauf. Die Strassen bestehen zum Teil nur aus festgefahrenem Lehm und wir sind froh, nicht bei Regen unterwegs zu sein.
Die Zöllner sind ausgesprochen entspannt, es ist Sonntag und wir die einzigen Kunden. Aber die Strassen werden besser und wir kommen jetzt einigermaßen gut voran. Die Landschaft ändert sich auch, im Gegensatz zur felsigen Landschaft in Tadschikistan ist hier alles sehr viel lieblicher und grüner. Sary-Tash lassen wir- vom obligatorischen Tankstopp abgesehen- links liegen.
Wir überqueren noch einige Pässe, aber bei gutem Asphalt und „nur“ 2400m Höhe ist das kein wirkliches Abenteuer mehr. Die letzten 70 km bis Osh haben es allerdings in sich: Eine einzige Baustelle, die Fahrbahn besteht aus grobem Schotter und mir vibriert es fast die Arme ab. Außerdem ist es sehr warm und der Staub klebt auf der verschwitzten Haut im Gesicht ganz wunderbar. Bei jedem Stopp kauft man frische Getränke, das durchgeschüttelte warme Zeug, das wir dabeihaben, kann man nicht trinken.
In Osh angekommen, lassen wir uns von einem Taxifahrer zu einem Hotel lotsen. Ein typisch sozialistischer Betonbau und dass die junge Dame an der Rezeption mehrfach darauf hingewiesen hat, dass es warmes Wasser gibt, hätte uns aufhorchen lassen sollen. Es gibt auf dem Zimmer nur warmes, sprich super-heißes Wasser, aber kein kaltes. Duschen ist unmöglich, da bräuchte man nachher einen Arzt ( nicht so schlimm: wieder ein Anekdötchen mehr ).
Die Kneipe nebenan serviert gutes Essen und bestes, kaltes Bier. Wir sind definitiv der Meinung, dass wir das auch verdient haben.
Dienstag 3.6.
Todesmutig werfen wir uns in das Verkehrgewühl in Osh. Allerdings ist es hier einfacher als in vielen anderen Ex-Sowjetischen Städten: es gibt Wegweiser. Vielleicht nicht vorbildlich viele, aber nicht wie in Russland, wo nach dem Schild „Moskau: 1029km“ das nächste Schild „Moskau: 230km“ ist. Was mir auffällt: Hier wird fast der gesamte öffentliche Nahverkehr mit alten Mercedes Transportern bestritten, alle das Modell 207D bis 410D, die alte „ Bremer“ Baureihe. Im Gegensatz dazu war in Tadschikistan alles chinesisch, von den Autos bis zu den Klamotten.
Die Landschaft ändert sich merklich. Viele runde Hügel, alles ist grün bewachsen und wirkt viel kultivierter als während der letzten Tage auf dem Pamirhighway. Die Strassen sind top, da kann man nicht meckern. Sehr angenehm. Unterwegs halten wir an einem Marktplatz an, auf dem im wesentlichen Tiere verkauft werden. Sehr viele Pferde, aber auch alles was sich später zu schmackhaften Gerichten verarbeiten lässt. Udo passt auf die Mopeds auf, er scheint dem Frieden nicht zu trauen und Dirk und ich gehen auf „Fotosafari“
Bei einem späteren Stopp fährt ein Ural Gespann an uns vorbei und der Fahrer und alle 4 Passagiere drehen sich nach unseren Mopeds um. Nach mehreren 100m Anhalteweg (die Bremse hatte offensichtlich etwas Probleme mit der heftigen Überladung) kommen die Jungs zurück und schauen erstmal wer da so unterwegs ist.“ Atkuda, (Ja, ich weiß, ich hab´s falsch geschrieben) ist schon das geflügelte Wort auf unserer Tour. Woher ?
Ich telefoniere mit meinen Kollegen. Die Behörden am Flughafen in Hannover weigern sich beharrlich, das Federbein, das sie aus Angelas Koffer entnommen haben, rauszurücken. Sie wollen als Quittung den Zettel sehen, der ersatzweise im Koffer lag und den habe ich hier. Genau als der Beamte aus Hannover mich fragt, ob ich den Beleg nicht faxen könnte, sehe ich, wie der Wirt die Teetassen im Strassengraben auswäscht. „Ehrlich, hier gibt es kein Fax!“ Wir werden dann doch noch einig und mein Kollege kann das Federbein abholen.
Abends stellt sich dann, wie jeden Tag die Frage, wo wir übernachten. Wir beschließen, nach Toktogul am gleichnamigen See zu fahren. Da muss es eigentlich etwas geben. Gibt es dann auch, aber das Hotel, das wir uns ansehen, ist wirklich nicht zu empfehlen. Wir decken uns daher nur mit Proviant ein und fahren aus der Stadt raus. Wir scheitern zwar bei der Suche nach einem Platz für die Zelte direkt am See, aber Udo, unser Scout in diesen Dingen, findet einen schönen Fleck an einem kleinen Fluss. Wir kochen uns etwas (… alles was wir haben in einen Topf und dann warm machen) und schießen gefühlte 500 Fotos vom Sonnenuntergang. Nach dem allabendlichen Schwatzen lullert uns der Fluss in den Schlaf.
Mittwoch, 4.6.
Das wird unser letzter Tag in den Ausläufern des Pamir. Wir überqueren immer noch Pässe von über 3000m Höhe, was wir mittlerweile als ganz normal empfinden. Auf den letzten Kilometern bevor wir nach links auf die M39 nach Kasachstan abbiegen, überholen wir eine Kolonne Fahrradfahrer, die zwecks Besuchs der Olympiade kurz mal von Paris nach Peking radeln. Irgendwann stellen wir fest, dass wir falsch abgebogen sind uns fahren der Truppe dann wieder entgegen. Organisierter Wahnsinn auf der einen Straßenseite und unorganisierter auf der anderen. Wir entfernen uns immer mehr von den Bergen und fahren immer weiter in eine Ebene hinein. Es wird heiß und stickig, das krasse Gegenteil zu den vergangenen Tagen. Außerdem hat das den Effekt, dass vor allem Dirks Moped mit zunehmender Hitze und steigendem Luftdruck das 76 Oktan Benzin nicht mehr mag und leise vor sich hinklingelt: Ich will Super! Die Grenze nach Kasachstan ist der ganz normale ex-sozialistische Wahnsinn: Von einem Büro ins nächste, ohne zu übertreiben bestimmt 5 mal die Reisepass- und Visa-Nummer in irgendein Formular eintragen, dazu das Kennzeichen des Fahrzeugs, Fahrgestellnummer, Führerschein und … und … und. Jede Grenze, die wir in weniger als 3 Stunden schaffen, ist ein Erfolg.
Ich habe vorne auf den Beiwagen eine Karte aufgeklebt, auf der unsere Tour wie auf einem Brettspiel eingezeichnet ist. Das führte bislang an allen Grenzen dazu, dass sich alle Grenzer vor meinem Moped versammelten und laut - aber für uns leider unverständlich - diskutieren. Das hat im wesentlichen 2 Effekte: Alles dauert länger, weil die Jungs erst auf die Karte gucken und dann die Grenzformalitäten erledigen , oder aber die Jungs stehen erst vor der Karte, finden das toll, was wir machen und erledigen dann alles andere in der Kurzversion. Wir selber haben kaum einen Einfluss darauf. Schnell oder langsam: Inshallah !
Das erste, was uns in Kasachstan auffällt, ist, dass die sengende Sonne den Asphalt „angetaut“ hat. Die Reifen machen ein Geräusch, als wenn man über eine nasse Strasse fährt und sind mit schwarzem, glänzendem Teer bedeckt. Die Strasse ist soweit OK und wir fahren zügig durch die kleinen Ortschaften, die an unserem Weg nacheinander aufgereiht sind. Irgendwann zwischendurch halten wir an, um eine Kleinigkeit zu essen und vor allem etwas zu trinken. Wir sitzen also auf der Terrasse einer Fernfahrerkneipe und werden von zwei Damen besonders aufmerksam bedient. In der Kneipe selber sitzen noch mehrere Schönheiten und - man kann es nicht glauben, wenn man es nicht gesehen hat – beschäftigen sich mit der Herstellung von Nudeln.
Unsere Bedienungen geben sich sehr interessiert, was unsere Route angeht und bieten uns, großzügig wie sie sind, an, dass wir doch dort übernachten können.
So offensichtlich hatten wir das bislang noch nicht.
Aber heute Abend brauchen wir nach der Hitze wirklich ein Hotel mit einer Dusche. Das erste, das uns empfohlen wird, ist ausgebucht ( … oder das Mädel an der Rezeption hatte keinen Bock mehr auf noch mehr Stress). Das zweite Hotel ist eigentlich eine Kategorie zu teuer für uns, und die Rezeptionistin sieht mich an, als wenn sie bezweifeln würde, ob wir uns das leisten können. Wir gönnen uns das! Und dazu im Restaurant nebenan was Gutes zum Essen.
Donnerstag, 5.6.
Das Einzige, was wir uns hier eigentlich nicht leisten können, ist unser Frühstückskaffee: Ich bezahle für 3 Kaffee 14 Dollar und das Hotel ist nicht das Kempinski.
Wir fahren die erste Etappe bis Shimkent und machen dort eine ausgedehnte Tank- und Frühstückspause. Im Pamir waren wir sehr oft allein unterwegs, kaum PKW`s und nur ab und zu ein LKW. Hier ist das völlig anders. Wir fahren über zum Teil kurvige Strassen und sind ständig am Überholen: abbremsen, warten auf das nächste gerade Stück um dann wieder voll zu beschleunigen und ein oder 2 oder 3 Laster hinter sich zu lassen und sich dann wieder hinter einem Laster einzureihen. Das kommt dem Naturell eines Motorrades normalerweise entgegen, aber nach Stunden mag man wieder seinen eigenen Rhythmus fahren. Während der Pause sehen wir uns die Karte an und sind eigentlich, was die Tagesetappe angeht, sehr optimistisch: Nur große rote Strasse und geradeaus durch die kasachische Steppe soweit das Auge reicht.
Wie man sich irren kann!
Es ist unglaublich warm und als wir endlich die Außenbezirke von Shimkent mit viel Verkehr hinter uns lassen, wird die Strasse mehr als durchschnittlich. Kurze gute Abschnitte wechseln mit langen von Schlaglöchern übersäten Pisten ab. Sehr anstrengend, man konzentriert sich eigentlich viel zu sehr aufs Fahren denn aufs Reisen. Mein Moped fängt immer mehr an zu klappern, weil die Aufnahmen der vorderen Bremsscheibe, die schwimmend gelagert ist, durch die vielen Erschütterungen ausgeschlagen sind. Irgendwann zwischendurch fährt Udo ein Rasthaus an und ich lasse an der Werkstatt nebenan die Abstandhalter der Bremsscheibe abschleifen. Das ist eigentlich kein Problem, kostet uns aber auch eine Stunde und in der Hitze und dem Staub macht die Schrauberei keinen wirklichen Spaß. Udo mit der KTM hat`s hier am einfachsten, Federwege ohne Ende und ein Solomoped, für das man nur eine gute Spur suchen muss, sind hier wirklich ein Vorteil. Für Dirk und mich ist der Rest des Tages schon ein Stück Arbeit, zumal wir hier nicht durch eine tolle Landschaft entschädigt werden.
Wir machen uns heute nicht die Mühe ein Hotel zu suchen, sondern kaufen nur etwas für’ s Abendessen ein und campen abseits der Straße direkt an einem Fluss. Unsere Planung für den Trip ist mittlerweile reine Makulatur, wir liegen schon eine Woche hinter dem Plan.
Freitag , 6.6.
Wir kümmern uns nach dem Aufstehen erst einmal um die Mopeds. Dirk kontrolliert das Ventilspiel, ich kümmere mich um meine Kette und auch den Kettenöler, bei dem immer wieder die Schläuche von den Anschlüssen rütteln. Das Problem habe ich in Deutschland nie gehabt, aber bei den Pisten hier wird alles an den Mopeds deutlich höher belastet. Die Kette müsste ich eigentlich dringend tauschen, hoffe aber, dass sie bis Rostov hält. Dorthin ist jetzt mein Federbein unterwegs und ich hoffe, in einem Reparaturstop das Federbein, die Kette und das Motoröl wechseln zu können.
Dieser Teil Kasachstans ist wirklich nur eine Verbindungsetappe, die Landschaft ist eintönig und flach und die Strassen wechseln immer wieder von schlecht nach Desaster und zurück. Ich habe gestern beim Reparieren der Bremsscheibenaufnahme dem guten Stück noch etwas Luft zum Bewegen gelassen, was sich jetzt als Fehler herausstellt. Durch den vielen Sand und Schlaglöcher arbeiten sich die Halter schneller ab als zuvor und ich muss dringend nachbessern. In einer kleinen Ortschaft finden wir eine Autowerkstatt und ich schleife die Abstandshalter so weit ab, dass die Bremsscheibe richtig festsitzt. Im weiteren Verlauf habe ich keine Probleme mehr damit.
Dafür haben wir jetzt ein neues Problem: Udo ist weg. Wir haben uns bei der Suche nach der Werkstatt aus den Augen verloren und können ihn jetzt nicht wieder finden. Wir fahren zum Ortsausgang und warten dort an einem Rasthof für eine Stunde, aber kein Udo weit und breit.
Dirk und ich fahren abwechselnd in den Ort hinein, aber die Suche bleibt erfolglos. Schließlich machen wir uns auf den Weg Richtung Aralsk und fragen unterwegs einen Polizisten nach einem orangenen Moped und glauben zu verstehen, dass er Udo schon gesehen hat. Einen Stopp später fragen wir wieder und unser Gegenüber deutet mit einer Geste ( … und das sah wirklich gut aus ) Udo’s Schnurbart an. Jetzt sind wir sicher: Udo ist vor uns. Unglücklicherweise funktioniert sein Mobiltelefon nicht, aber zumindest wissen wir nun, dass wir ihn nicht irgendwo verletzt oder mit defektem Moped zurücklassen.
Abends fahren wir nach Aralsk rein und quartieren uns im einzigen Hotel ein. Das Ding ist’ ne ziemliche Bruchbude, aber wir haben schon schlimmeres gehabt. Dafür liegt es direkt am Hafen, oder besser, am ehemaligen Hafen. Das Wasser der Zuflüsse des Aralsees wird fast zu 100% umgeleitet, um damit Baumwollplantagen zu bewässern. Dadurch trocknet der Aralsee aus und der Rest des Sees ist mittlerweile 40km vom Hafen in Aralsk entfernt. Im Hafenbecken grasen Kühe zwischen den dort liegen gebliebenen Booten; die ganze Szene wirkt ausgesprochen surreal auf uns.
Immerhin, es ist Freitag Abend und die ganze Stadt scheint auf den Beinen zu sein. Wir gehen noch etwas essen und haben unseren Spaß.
Samstag, 7.6.
Mein Gott wie sieht die Kette aus! Aber wird schon irgendwie gehen. Hoffe ich.
Geht natürlich nicht.
Wir sind aus Aralsk Richtung Aktöbe abgefahren und nach ca. 60 km einigermaßen guter Strasse hört ebendiese auf zu existieren. Man sieht noch Reste von Asphalt hier und da, aber vernünftigerweise fährt man neben der Strasse durch den Sand wie alle anderen auch. Wir kommen kaum voran und ich bin schon ziemlich genervt, als es KNACK macht und mein Moped steht. Die Kette hat sich auf den letzten Kilometern derartig gelängt, dass sie abgesprungen ist. Was ja nicht so schlimm wäre; ich habe ja eine Kette und das vordere Kettenritzel dabei. Viel schlimmer ist: Auf dem hinteren Kettenrad sind fast keine Zähne mehr drauf und das habe ich nicht dabei. Was nun. Dirk schleppt mich die letzten 500m zu einer Fernfahrerkneipe und wir warten auf einen Lastwagen, der sich mühsam seinen Weg durch den Sand auf eben diese Kneipe bahnt. Die Idee ist, dass ich versuche, mich bis Aktöbe mitnehmen zu lassen, dort das Moped notdürftig zu reparieren und bis nach Orenburg in Russland zu fahren. Dann nach Hause fliegen, Teile holen, um dann zurückzufliegen und mein Gefährt abzuholen. Nach Orenburg in Russland zu kommen, wäre wichtig, weil ich für Russland ein Dauervisum habe.
Der LKW-Fahrer wittert die Chance seines Leben und will 500$ für das Mitnehmen bis nach Aktöbe. Wir einigen uns auf 300$ bis Oral oder 200$ bis nach Aktöbe.
Das Gespräch zwischen mir und Dirk läuft genau so, wie es zwischen großen Jungs laufen sollte: Wir sind uns einig, dass es Quatsch ist, wenn er auf mich wartet, um dann doch ab Orenburg alleine nach Hause zu fahren.
Als wir nach 2 Planken, Brettern oder ähnlichem suchen, finde ich zuerst ein Rotorblatt von einem Hubschrauber. Ist jetzt nicht wirklich hilfreich, aber witzig fand ich es schon, zumal ich den Rest vom dem Helikopter nirgends finden konnte.
Wir schieben die Aprilia auf den Hänger zwischen eine Ladung Altreifen und mir blutet fast das Herz: So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Die Besatzung des Lkw besteht aus zwei Leuten: Dem Fahrer, dem auch der Laster gehört und seinem Beifahrer, der während der Fahrt Kaffee und Zigaretten reichen und außerdem nach der besten Piste Ausschau halten muss. Wie schon geschrieben, man fährt hier nicht auf der Strasse sondern mitten durch die kasachische Steppe. Der Lkw, ein 3-Achser mit Hänger wühlt sich angestrengt durch den Sand. Oft ist der allererste Gang angesagt, der so kurz übersetzt ist, dass selbst bei Vollgas der Tacho nicht einmal zuckt. Das ganze Gefährt knirscht und ächzt dabei, der Motor heult, kurzum: keine wirkliche Entspannung. Mein MP3 Player hat Mühe gegen den Krach anzukommen und lesen geht nicht wirklich gut. Also denke ich darüber nach, was denn so bislang passiert ist und warum ich in dieser doofen Situation bin. Die Antwort ist ganz einfach: Wir hatten zu wenig Zeit. Hätten wir öfter angehalten, uns zwischendurch mal einen Tag Pause gegönnt und ich z.B. auch die Kette beizeiten getauscht hätte ( die jetzt über 20.000km gelaufen hat, also durchaus gut gehalten hat), würde ich jetzt nicht im Laster fahren. und wir wären jetzt immer noch zu dritt unterwegs.
Wir treffen Dirk noch einmal, erst ist nach dem Mittagessen auf einem Teebett eingeschlafen . Es trifft sich aber ganz gut, denn die Etappe von Aralsk nach Aktöbe ist länger als gedacht und es gibt zwischendurch keine Tankmöglichkeit. Also füllen wir meinen Reservekanister in sein Moped, damit er sicher in Aktöbe ankommt. Das ist aber auch das letzte Mal auf dieser Tour, dass ich ihn sehe.
Ich habe auch schon mal bessere Nächte erlebt; das Führerhaus eines Kamaz ist nun wirklich nicht das Hilton, vor allem nicht mit 3 Leuten.
Sonntag, 8.6.
Wir haben für ungefähr 230km 16Std reine Fahrzeit gebraucht, ich hätte mir vielleicht ein Segel ans Moped basteln sollen und wäre so schneller gewesen.
In Aktöbe steuern wir einen LKW-Hof an ( ortsüblich auch „CAMPING“ genannt, hat aber wirklich gar nichts mit Camping gemeinsam) und laden dort zuerst einmal das Moped ab. Als der Beifahrer den Anhänger aufmacht, stehen mir fast die Tränen in den Augen: Meine Aprilia ist unter einem Berg vom alten Reifen begraben, der hintere Kotflügel ist genau wie das Kennzeichen abgeknickt, die Reifen haben überall Kratzer und schwarze Spuren hinterlassen und die linke Fußraste ist abgebrochen.
Ich suche mir eine ruhige Ecke auf dem LKW-Parkplatz und beginne, das Moped zu zerlegen. Es ist Sonntag, ich bin mal wieder die Attraktion des Tages und Ruck-Zuck haben sich alle möglichen Leute um mich versammelt. Die Kette und das Ritzel sind schnell montiert und im Gespräch mit den Umstehenden versuche ich herauszufinden, ob es in Aktöbe einen Motorradladen gibt, in dem ich Kettenspray kaufen kann. Ruslan (der Name verfolgt mich auf dieser Reise), der Beifahrer des LKW’s, fängt an zu telefonieren und glaubt, dass er jemanden kennt, der jemanden kennt, der vielleicht weiß, wo ich Kettenspray kaufen kann. Wir fahren dann mit einer Taxe in die Stadt und suchen mehrere Läden auf, aber Motorräder sind hier wirklich nicht „in“ und wir bleiben erfolglos. Ruslan telefoniert weiterhin unablässig und bekommt schließlich einen Tipp: Es soll in Aktöbe ein professionelles Moto-Cross Team geben. Nur wenige Telefonate später haben wir die Adresse. Ab ins Taxi und hin: Volltreffer. Die Jungs haben wirklich alles da und ich finde auch jemanden der etwas Englisch spricht. Der Inhaber des Teams zeigt mir stolz seine Werkstatt( in der noch eine BMW aus dem 2ten Weltkrieg steht) und sein Wohnmobil. Natürlich muss ich erzählen, woher ich komme und wo wir überall waren, und natürlich erzähle ich ihm auch vom meinem Kettenrad. Er meint, er könne vielleicht helfen und der ganze Tross setzt sich Richtung Autohof zur Besichtigung des Schadens an meinem Moped in Bewegung. Als wir ankommen, genügt ein kurzer Blick: Das sei nun wirklich kein Problem. Sollte ich vielleicht doch weiter als bis nach Orenburg kommen? Morgen Abend soll ein neues Kettenrad fertig sein, wir werden sehen.
Auf dem Autohof kann man auch Zimmer mieten. Über dem Gebäude ist ein Schild „Motel“ angebracht, aber das beschreibt den Zustand der Zimmer und der sanitären Anlagen nicht wirklich. Ich schlafe mal wieder im Schlafsack.
Abends versammeln sich alle Fahrer, die den Sonntag hier verbracht haben, in der kleinen Kantine die zum „Motel“ gehört und ich bekomme eine kostenlose Übungsstunde im Wodkatrinken angeboten. So ein Wasserglas voller Wodka ist aber nun wirklich nicht mein Ding und ich weiche auf Bier aus. Alle anderen bleiben selbstverständlich beim Wodka und ich bin aufs Neue überrascht, welche Mengen schieren Alkohols so ein kasachischer Fernfahrer verputzen kann. Respekt!
Montag, 9.6.
Meine Entscheidung, nur Bier zu trinken, lässt mich heute Morgen viel besser aussehen, als einige meiner LKW fahrenden Kollegen. Ein paar sind dabei, denen der Morgenkaffee nur schwer über die Lippen geht.
Ich muss heute nur warten und hoffen, dass das Kettenrad - wie versprochen - bis zum Abend fertig wird. Eine Kleinigkeit wäre da allerdings noch: Ich hätte eigentlich schon vor einer Woche wieder im Büro sein müssen und vielleicht ist es eine gute Idee, meinen Boss anzurufen. Dazu muss man wissen, dass ich für das deutsche Büro einer englischen Firma arbeite und zur Geschäftsleitung in England nicht täglich Kontakt habe. Ich versuche also in England anzurufen, um mit meinem Chef zu sprechen, der aber nicht da ist. Ich erkläre seiner Sekretärin, dass ich noch mit dem Motorrad in Kasachstan sei ( … sie hat dabei nicht gezuckt!) und sicherlich noch mindestens eine Woche brauche. Sie meint das sei OK, ich fand das war eine coole Antwort. Ich sage noch, dass ich auf dem Handy erreichbar sei und lege auf: Der Urlaub geht weiter
Ich verbringe den weiteren Tag mit Wäsche waschen und dem einem oder anderen Pläuschchen , sehr entspannt, sehr angenehm. Abends kommt mein Motocrossman und erklärt mir, dass sie noch etwas Zeit brauchen. Ursprünglich hatten Sie geplant, auf mein Kettenrad einen neuen Zahnkranz aufzuschweißen, haben dann aber festgestellt, dass es aus Aluminium ist und fertigen jetzt ein komplett neues Kettenrad an. Inshalla !
Der Abend gestaltet sich in etwa wie der von gestern, mit dem Unterschied, dass heute deutlich weniger Wodka im Spiel ist. Ich habe mittlerweile unsere gesamte Route erklärt, woher ich komme und so weiter und so weiter. Ein netter Abend.
Dienstag, 10.6.
Es ist Dienstag und ich bin seit Samstag nicht mehr Moped gefahren ( Entzug!), die Wäsche ist sauber, der Proviant aufgefüllt: Ich will weiter! Mittags kommt es - mein neues Kettenrad! Es ist eine Meisterleistung des Improvisierens. Von einem Kettenrad für eine Isch wurde der Zahnkranz sauber abgetrennt und auf ein neues Mittelteil, passend für mein Moped aus einem Stück Flachstahl hergestellt, wieder aufgeschweißt. Ich bin begeistert. Es dauert nur Minuten, bis alles zusammengebaut ist und ich abfahrbereit bin. Ich habe von den LKW-Fahrern noch den Tipp bekommen, nicht auf der Hauptstrasse nach Oral weiterzufahren, sondern doch über Orenburg zu fahren, da die Nebenstrasse, die auf meinen Karten nicht eingezeichnet ist, viel besser ist. Das gesamte Motocross-Team lässt es sich nicht nehmen, mich durch die Stadt zu geleiten. An einer Tankstelle rauchen wir noch eine Abschiedszigarette und ich mache mich auf den Weg.
Die Strasse ist tatsächlich gut und so bin ich am späten Nachmittag schon an der Grenze. Ich werde mehrfach gefragt, ob ich irgendwo Bilder gemacht habe, speziell in Aralsk. Der Grenzer glaubt mir tatsächlich, dass ich keine gemacht habe. Der Rest der Grenzformalitäten geht erstaunlich schnell, nach kaum einer Stunde rolle ich wieder.
Man mag es mir nicht glauben, aber ich war jetzt schon so oft in Russland, dass ich denke: „Da bist du ja fast schon zu Hause“. Außerdem gibt es hier an fast jeder Tankstelle Super mit 95 Oktan, da freut sich auch der V2. Kurz vor Orenburg halte ich an einem Gasthaus an ( … das wurde mir von dem Polizisten empfohlen der mich kurz zuvor kontrolliert hat) um etwas zu essen. Ich habe mich kaum hingesetzt, da kommt ein Russe auf mich zu und fängt an auf Deutsch auf mich einzureden. Er war als Soldat in Deutschland stationiert und erzählt mir jetzt, was er noch alles kennt. Das Nette an der Geschichte ist, dass er es sich nehmen lässt, für mich zu bezahlen. Nachdem ich Orenburg hinter mir gelassen habe, hoffe ich, dass ich ein Zimmer in einem Hotel oder Motel an der Hauptstrasse finde, aber ein Tankwart meint, dass ich erst in der nächsten Stadt etwas finde. Macht nichts, ich fahre noch ein Stück und zelte dann an einer Nebenstraße.
Mittwoch, 11.6.
Heute muss ich richtig Kilometer machen, ich hoffe, dass ich bis nach Wolgograd komme. Ich möchte gerne am Donnerstag Abend in Rostov sein, um mich da mit Mischa und Birn zu treffen.
Meine Route führt mich erst bis nach Samara und dann and der Wolga entlang bis nach Wolgograd. Unterwegs treffe ich an einer Tanke eine Gruppe Mopedfahrer aus Ekaterinburg, die auf dem Weg zu einem Motorradtreffen auf der Krim sind. Echte Hartmänner, die schon mehr als 3000 km auf ihren Choppern (auf russischen Strassen!!) hinter sich haben. Noch mehr Respekt habe ich vor ihren Sozias, die den gleichen Weg nur in Jeans und in dünnen Jacken hinter sich haben. Das muss Liebe sein!
Um Samara nimmt der Verkehr deutlich zu, aber auf meinem Weg an der Wolga entlang bin ich fast allein unterwegs. Was schön ist, denn die Landschaft hier ist herrlich und ich kann die Tour genießen. Mittag gibt es heute als Picknick, ich halte auf einem Hügel von dem aus man einen fantastischen Blick auf den Fluss hat. Die Wolga ist hier einige Kilometer breit und liegt in einem Tal zwischen 2 Hügelketten. Die Sonne scheint aus allen Knopflöchern und ich liege im Gras, esse etwas und bin guter Dinge.
Heute Abend brauche ich ein Hotel. Im „Motel“ in Aktöbe hat es immer nur zur Katzenwäsche gereicht und gestern habe ich gezeltet, deswegen ist heute auf jeden Fall große Körperpflege angesagt. Ich finde eins in Kamysin, damit habe ich zwar mein Tagesziel nicht ganz erreicht, aber ich bin ganz zufrieden. Auf der Terrasse des Hotels grillt jemand auf offenem Feuer und nach der Dusche bestelle ich mir ein Bier, einen Salat und ein Schweinesteak. Das Steak kommt nach fast 3 Wochen Hammel und Rind derartig gut, dass ich nach einer halben Stunde meine Bestellung wiederhole: Das gleiche noch einmal, inklusive Bier und Salat. Ratet mal, wie ich geschlafen habe?
Donnerstag, 12.6.
Ein schöner Tag. Außer dass ich mich in Wolgograd einmal verfahren habe, gibt es über die eigentliche Tour nichts zu berichten. Ich telefoniere mit Mischa, der mir sagt, dass sie alle auf einem Treffen in Taganrog sind und dass ich gleich dorthin fahren soll. Das ist prima, wir haben auf der ganzen Tour keine richtige Party gehabt und das könnte ein schöner Abschluss werden. Vorher werde ich jedoch noch einen Abstecher zum Flughafen in Rostov machen, denn beim dortigen Zoll soll mein Federbein liegen. Ich werde also dort vorstellig und erfahre, dass der Flieger aus Taschkent am letzten Montag ausgefallen ist. Aber morgen ist der nächste Flug und es werde sicher mitkommen. Ganz bestimmt: Irgendwer hat das Ding mit einem Fluch belegt!
Was solls, ich kann die Situation nicht ändern und fahre weiter nach Taganrog. Mischa sprach von einem kleinen Treffen, „… nur Leute aus Rostov und Asov“, aber als ich auf den Platz fahre, falle ich fast vom Moped. Alles rappelvoll, hunderte von Leuten, Liveband: hier ist echt was los! Zuerst bin ich mal wieder der Affe im Zoo, aber nach einer Weile fahre ich mein Moped ( allerdings mit 4 Leuten drauf) vom Platz direkt vor der Bühne weiter nach hinten wo die Zelte stehen.
Ich lehne standhaft gleich den ersten Wodka ab, ich glaube wenn ich den ersten trinke, habe ich keine Chance mehr einen abzulehnen. Es wird ein super Abend und erst im Morgengrauen verschwinde ich in meinem Zelt.
Freitag, 13.6.
Der Tag danach. Die Entscheidung, nur ein paar Bier zu trinken und den
Wodka abzulehnen, stößt abends nicht auf viel Verständnis, aber der Tag danach ist deutlich besser. Da laufen ein paar Gestalten an mir vorbei: Mein Gott!
Zum Frühstück gibt es erst Kaffee und dann Fischsuppe. Das ist für mich etwas gewöhnungsbedürftig, aber als ich Köpfe und Gräten raussortiert habe schmeckt’ s ganz gut.
„Titanic“ zeigt mir sein selbstgebautes Moped, das er um einen Seitenventilermotor herumgestrickt hat. Die Hinterradfederung würde bei einem deutschen TÜV-Beamten zu einem cholerischen Anfall führen, alle anderen ( inklusive mir) finden es cool.
Der Plan für den weiteren Tag ist folgender: Wir fahren zurück nach Rostov zu Birn und versuchen dann, mein Federbein abzuholen. Morgen stricke ich dann alles zusammen und fahre nach Hause. Wie gesagt, nur ein Plan.
Auf dem Weg nach Rostov kann ich endlich mein Reifenflickzeug zum Einsatz bringen: Birn hat hinten einen Platten und da der Reifen nicht von der Felge geht, pumpen wir ihn einfach mit meinem Tirefit wider auf. Der Rest der Fahrt nach Rostov ist, abgesehen von den üblichen Polizeikontrollen, ein schönes Stück Landstraße.
Der 2te Punkt meines Plans verläuft dann nicht so gut. Das Federbein soll da sein, aber niemand ist befugt es mir zu geben. Da am Donnerstag Feiertag war, ist jetzt am Freitag eine Art Brückentag und die Leiterin des Zollbüros nicht da. Der Kollege vor Ort telefoniert aber mit ihr und ich bekomme die Auskunft, dass ich mein Teil vermutlich am Montag bekomme. Sch…..!
Wer Russland kennt, weiß, dass „vermutlich Montag“ eigentlich „ höchstwahrscheinlich Mittwoch“ heißt. Und das dauert mir nun wirklich zu lange. Ich bin jetzt so weit ohne Dämpfer gekommen, da werde ich die letzten 3500 km auch noch schaffen.
Wir besiegeln den Beschluss mit einem Gute-Nacht-Bier und ich leg mich schlafen. Freitag der 13te.
Samstag, 14.6.
Ein letzter Versuch. Mischa hat telefoniert und eine Werkstatt gefunden, die mir vielleicht helfen kann. Der Laden heißt „Bike-Post“ und ist eine Mischung aus Kneipe, Club, Campingplatz, Selbstschrauber-Werkstatt und Motorradladen. Genau das, was man zum Wohlfühlen braucht, aber leider ohne Federbein für mein Moped. Wir trinken einen Kaffee und erzählen noch, aber fahren am Ende wieder zurück ohne etwas geschafft zu haben. Mischa und Birn führen mich noch durch Rostov bis zur Strasse Richtung Mariupol. Mischa wird in der nächsten Woche versuchen, das Federbein aus dem Zoll zu bekommen und dann zurückzuschicken oder einzulagern. Wir verabschieden uns und ich mache mich endgültig auf den Heimweg.
Die Grenze zur Ukraine geht einigermaßen gut, es ist Wochenende und am Donnerstag war Feiertag, deswegen hält sich der Andrang sehr in Grenzen. In Mariupol fahre ich an einem rieseigen Stahlwerk vorbei, ein Kunde von mir, bei dem ich in nächster Zeit eine Schulung durchführen muss. Kurz hinter Melitupol finde ich ein Hotel, ich habe mein Etappenziel erreicht. Ich schlafe in einem wunderbaren Bett ( ... ich weiß das jetzt zu würdigen) und mein Moped in einer abgeschlossenen Garage.
Sonntag, 15.6.
Die Polizei hier geht mir langsam aber sicher wirklich auf die Nerven. Jeder, aber wirklich jeder hält mich an und will Dollars oder Euros. Manchmal kommt man um’s Bezahlen nicht herum, aber immer kann man handeln. Einer gibt sich damit zufrieden, einmal auf dem Moped sitzen zu dürfen. Ich will ein Bild davon machen und er ruft mir zu: Nicht ins Internet! et voila:
Gott sei dank habe ich für die Ukraine eine Navigation, sonst würde ich wahrscheinlich immer noch durch Dnipropetrovsk irren. Eine Umleitung endet einfach im Nichts und ohne Straßenschilder ist man aufgeschmissen. Es bringt oft auch wenig, Passanten zu fragen, Fußgänger sind hier Fußgänger weil sie kein Auto haben und sich deswegen nicht gut auskennen. In Kiew fahre ich direkt am Flughafen vorbei und kann mir das Grinsen nicht verkneifen. Ich bin schon oft mit dem Taxi hier vorbeigefahren, aber noch nie mit dem Motorrad. Ich versuche natürlich, den ruhigen Sonntagabend zu nutzen und Kiew möglichst weit hinter mir zu lassen. Erst am Abend und weitere 5 Polizeiposten später bin in Korosten, der ersten größeren Stadt hinter Kiew. Beim örtlichen Polizeiposten (… und ich habe dort nicht freiwillig angehalten) bekomme ich einen Tipp für ein Hotel. Ich bleibe, gehe aber mit einem mulmigen Gefühl ins Bett. Das Motorrad steht zwar auf einem bewachten Parkplatz vor dem Hotel, aber ständig stehen Leute drum herum und ich hoffe, dass der Schwager oder Bruder oder beste Freund des Parkplatzwächters nicht dabei ist.
Montag, 16.6.
Jetzt noch schnell bis Kovel und schon bin ich in Polen: schon wieder ein Plan der nicht funktioniert. Ich habe die Rechnung ohne die Ukrainischen Straßenbauer gemacht. Die Strasse bis Kovel ist gesperrt und ich fahre eine 150km lange Umleitung. Erst gegen Mittag bin ich an der Grenze, die ich eigentlich schon viel früher erreichen wollte. Die Grenzabfertigung wird hier parallel auf 2 Spuren durchgeführt, aber als ich mit meinem mit einer Landkarte dekorierten Moped auftauche, versammeln sich alle Uniformträger bei mir. Bestimmt 10 Minuten lang werde ich ausgefragt und die Karte bestaunt. Ich will natürlich irgendwann weiter und so frage ich einen Uniformträger auf Englisch wie es den jetzt mit den Zollformalitäten weitergeht. Er deutet auf einen Kollegen: „Der kontrolliert den Pass“, dann auf einen zweiten: „Der kontrolliert das Fahrzeug“ und schließlich auf einen dritten „Grenzpolizei“. Ich ziehe dann meine Laufzettel aus der Tasche und habe in 10 Sekunden meine 3 Stempel! Wow !
Die Kollegen auf der polnischen Seite sind eher an meinem Gefährt interessiert. Einer fragt mich immer wieder, ob er einmal Gas geben darf. Ich lasse mich in der Annahme breitschlagen, dass mein Freund nur einmal zärtlich Gas gibt, aber er lässt den V2 einmal bis in den roten Bereich drehen, was in einer geschlossenen Halle in Kombination mit meinem GPR Auspuff ( nur theoretisch legal, ich hatte es schon erwähnt) zu einem ohrenbetäubenden Donnern führt. Der Uniformträger findet es nur geil (böses Wort, passt hier aber genau)! Als ich die Zündung ausschalte, herrscht Totenstille, aber der Rest der Zollformalitäten geht echt schnell
Ich bin zurück in der EU !! Kein Pass mehr, kein Visum, kein Bakschisch!!
Das Wetter ist bis auf ein heftiges Gewitterschauer gut und so fahre ich den Rest des weiter nicht erwähnenswerten Wegs bis nach Lodz.
Dienstag, 17.6.
Heute ist nach-Hause-kommen-Tag!
Kurz hinter Lodz beginnt die Autobahn, die -nur unterbrochen von einem kurzen Stück Landstrasse- kurz vor der Polnisch-Deutschen Grenze bis zu meinem Zuhause führt. Da gibt es nicht viel zu schreiben. Mit „ohne Federbein“ liegt mein maximales Wohlfühltempo bei 100km/h, die Grenze ist Vergleichweise ein Witz und landschaftlich gibt es auch nichts Erwähnenswertes. Ich habe mich auch schon seit der Ukraine wieder daran gewöhnt, jeden Kaffee oder Tee bezahlen zu müssen.
Supertoll war’s, ich finde nicht den richtigen Superlativ. Ein Abenteuer war’s, und zu kurz war’s. Und es ist schön, wieder nach Haus zu kommen. Der erste Satz meiner Frau nach der Umarmung ist allerdings ein bisschen ernüchternd: „ Wie siehst Du denn aus, nur Haut und Ohren“
Ich habe tatsächlich 6kg abgenommen.
Gelernt hab ich auch was: traue keiner Karte, auch Feldwege bekommen eine rote Markierung. Dein Zeitplan ist immer zu eng. Und: es gibt fast immer einen Weg!
Mein Moped will, neben dem neuen Federbein, mehr als dringend frisches Öl, Bremsbeläge rundherum, einen neuen Hinterreifen (der ist nicht abgefahren, der ist hingerichtet, ganze Brocken herausgerissen) und gaaaanz viel Pflege. Ich schätze, die ersten 10 Kg Dreck gehen ganz schnell, aber für die letzten 150gr brauche ich ein halbes Jahr.
Danke muss ich, bzw müssen wir, auch sagen: den ganzen netten, gastfreundlichen, unvoreingenommen, offenen und hilfsbereiten Leuten unterwegs ( … ukrainische Polizisten sind hiervon ausdrücklich ausgenommen ), meinen Kollegen, die sich echt bemüht haben, dass ich das Federbein bekomme, Michael und Valentin, die mir mit dem Moped geholfen haben, vor allem Daggi, die mich nicht zurückgehalten hat, als ich ihr von dem Plan erzählt habe und die sich ihre Angst um mich nur einmal anmerken ließ.
„Откуда?“ heißt übrigens „Woher?“ und ist das russische Wort, das wir auf der Tour sooo oft gehört haben.